Es sind zwei Ursachen für Bettnässen (Enuresis) bekannt:

  • Zum einen eine Dysfunktion der Blase aufgrund eines angeborenen Mangels an Nierenenergie (xiān tiān shèn qì bù zú)
  • Zum anderen eine sekundäre Schwäche des Unteren Erwärmers (xià jiāo bú gù) als ein Ergebnis des qì-Mangels in Milz und Lunge (pí fèi qì xū) aufgrund anderer Erkrankungen.

Entsprechend muss die Behandlung bei der ersten Entstehungsform darin bestehen, das yáng zu wärmen und die Nieren zu tonisieren (wěn yáng yì shèn). Dazu werden folgende Punkte ausgewählt:

  • Bl 23 (shèn shū) soll mit tonisierenden Methoden akupunktiert werden, wobei das Nadelgefühl sich in die Glutäalgegend ausbreitet. Man sticht die Nadeln schnell ein und lässt sie nicht liegen.
  • KG 6 (qì hǎi) und KG 4 (guān yuán) werden so akupunktiert, dass das Nadelgefühl sich ins Perineum ausbreitet, dann wird außerdem moxibustiert.

Bei einer sekundären Schwäche des Unteren Erwärmers muss das qì der Milz und Lunge tonisiert werden. Dazu wird folgendermaßen vorgegangen: Auf gegenüberliegenden Seiten akupunktiert man Lu 7 (liè quě) und MP 6 (sān yīn jiāo), d.h. Lu 7 (liè quě) rechts kombiniert mit MP 6 (sān yīn jiāo) links oder umgekehrt. Jeweils eine Möglichkeit wird in einer Sitzung angewendet.

  • Lu 7 (liè quě) wird senkrecht eingestochen, wobei die Spitze etwas nach oben zeigt. Das Nadelgefühl soll sich in den Unterarm ausbreiten.
  • MP 6 (sān yīn jiāo) wird senkrecht akupunktiert, tonisierend manipuliert und 20 Minuten liegengelassen. Das Nadelgefühl soll sich in das Bein ausbreiten.

Es wird an jedem zweiten Tag akupunktiert. Wenn Kinder sehr fest schlafen, so dass sie nicht geweckt werden können, kann man noch den luò-Verbindungspunkt des Herzmeridians, H 5 (tōng lǐ) und LG 20 (bǎi huì) akupunktieren und sedierend manipulieren. Damit werden der Geist geklärt und das Gehirn angeregt (qīng shén xǐng nǎo). Man führt dies in zwei bis drei Behandlungen durch, um den Schlaf zu normalisieren.

Fallbeispiel: Bettnässen

Ein neunjähriger Junge litt an Enuresis, seit er im Jahr zuvor Keuchhusten hatte. Er nässte jede Nacht zweimal oder dreimal ein und klagte über Rückenschmerzen. Bei der Untersuchung war die Zunge dünn mit Zahneindrücken und dünnem weißem Belag, der Puls schmal und leicht gespannt (xì wéi xián). Die Diagnose lautete: Mangel an Energie der Nieren nach Keuchhusten, dadurch Entstehen von Bettnässen. Hier hat sich ein qì-Mangel von Lunge und Niere ergeben.

Lu 7 (liè quě), N 4 (dà zhōng), die beiden luò-Verbindungspunkte, wurden akupunktiert, um den Mangel in beiden Funktionskreisen zu beheben. Unter den 15 Verbindungsgefäßen ist besonders Lu 7 (liè quě) wesentlich bei Enuresis. N 4 (dà zhōng) behandelt die Rückenschmerzen, die aus dem Mangel an Nierenenergie entstanden sind. Außer den zwei luò-Punkten wurden noch Bl 23 (shèn shū) und MP 6 (sān yīn jiāo) akupunktiert und KG 6 (qì hǎi) moxibustiert, um das yáng zu wärmen und qì zu kräftigen.

Nach zwei Behandlungen nässte der Patient weniger ein. Nach fünf Behandlungen kam es nicht mehr vor. Er bekam noch weitere sieben Behandlungen. Drei Monate später wurde er nachuntersucht und hatte keinen Rückfall erlitten.

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