Die primäre Störung bei Bettnässen (Enuresis) liegt in der Blase, die ihren Sphinkter nicht ausreichend tonisieren kann. Es gibt auch eine Verbindung zu Lunge, Milz und Nieren. Für die Planung der Therapie muss man die Beziehung der Erkrankung zu diesen drei inneren Organen und die wechselseitige Innen-Außen-Beziehung zwischen Niere und Blase sorgfältig differenzieren. Die Zustimmungspunkte der drei Organe und der Sammelpunkt der Blase müssen differenziert ausgewählt und kombiniert werden. Bei Mangel an qì in der Milz und in der Lunge (pí fèi qì xū) muss man qì kräftigen (yì qì shěng xiàn), um den Prolaps zu bekämpfen und um die Blase zu kontrahieren: Di 4 (hè gǔ) und Ma 36 (zú sān Iǐ) können prolabiertes qì anheben und die normalen Transportmechanismen wiederherstellen. Außerdem können sie die Blase von dem Druck befreien, den das prolabierte qì ausübt, und so kann sich die Blase wieder erholen. Die angegebene Behandlungsvorschrift kann mit KG 3 (zhōng jí) oder Bl 28 (páng guāng shū) kombiniert werden, um die Blase zu konstringieren. In sehr schweren Fällen von qì-Mangel kann man auch Di 4 (hè gǔ), Ma 36 (zú sān Iǐ) und LG 20 (bǎi huì) tonisierend akupunktieren. Bei Mangel an Energie in der Niere (shèn qì bù zú) muss man die Nieren wärmen, damit sich die Blase zusammenziehen kann, und man soll die Energie der Niere durch Akupunktur am Punkt KG 6 (qì hǎi), Bl 23 (shèn shū) und N 3 (tài xī) mit tonisierender Manipulation anregen. Man kann auch zusätzlich KG 3 (zhōng jí) tonisieren. Wenn ein sehr schwerer Mangel an yáng in der Niere vorliegt, akupunktiert man KG 4 (guān yuán), N 7 (fù liū) und N 3 (tài xī), um das Nieren-yáng zu wärmen und zu tonisieren. Auch kann man KG 3 (zhōng jí) akupunktieren und Bl 23 (shèn shū) und N 3 (tài xī) akupunktieren und moxibustieren, um die Niere zu wärmen und die Blase zum Zusammenziehen zu bringen. Bei Mangel in der Niere zusammen mit Mangel an qì, die dazu führen, dass die Blase sich nicht zusammenziehen kann, akupunktiert man Di 4 (hè gǔ), N 3 (tài xī), Bl 23 (shèn shū) oder N 7 (fù liū) und manipuliert tonisierend, um die Niere zu tonisieren und qì zu kräftigen (bǔ shèn yì qì).

Fallbeispiel 1

Eine 35jährige Angestellte hatte schon jahrelang an Husten und Asthma gelitten. Nun hatte sie seit einem Monat Blähungen und musste sehr häufig Wasser lassen. Wenn sie husten musste, ging spontan etwas Urin ab. Außerdem litt sie an Schwindel, Übelkeit, verstopftem linkem Ohr. Sie schlief sehr wenig mit sehr lebhaften Träumen. Ihre Finger waren taub. Die Patientin war kurzatmig und hatte Herzklopfen. Ihre Menstruation kam verzögert, und sie blutete dabei viel. Außerdem hatte sie öfters Fieber. Bei der Untersuchung hatte sie eine Zunge mit gelbem Belag und einen versunkenen, schmalen und beschleunigten Puls (chén xì shuò). Bei der gynäkologischen Untersuchung fand man eine zervikale Erosion dritten Grades. Im EKG hatte sie einen Sinusrhythmus mit AV-Block. Sie wurde ins Krankenhaus unter der Diagnose Neurasthenie und Menière-Syndrom eingewiesen. Dort wurde sie auch wegen der Enuresis behandelt, indem Di 4 (hè gǔ) und Ma 36 (zú sān Iǐ) tonisierend akupunktiert wurden. Nach zwei Behandlungen war sie vom Einnässen befreit. Bei Lungen- und Nieren-qì-Schwäche akupunktiert man Lu 9 (tài yuān) und N 3 (tài xī) oder Bl 23 (shèn shū) sowie Di 4 (hè gǔ) oder KG 6 (qì hǎi), um die Lunge und das Nieren-qì zu tonisieren, damit sich die Blase zusammenziehen kann und die Enuresis aufhört. Ist die Enuresis nach einer Fraktur der Lendenwirbelsäule oder einer Myelitis entstanden, kann man ebenfalls die angeführten Punkte zur Behandlung entsprechend der Symptomatik auswählen.

Fallbeispiel 2

Eine 22jährige Frau litt seit einer Entbindung vor vier Monaten an häufigem Harndrang. Sie hatte unwillkürlichen Urinabgang beim Husten, Niesen, wenn sie Angst hatte, laufen musste oder sich hinhockte, Sie hatte dauernden Harndrang. Außerdem war sie kurzatmig, sehr erschöpft und hatte ein Gefühl der Leere im Bauch. Ihr ganzer Körper fühlte sich müde, und sie wollte eigentlich immer die Augen schließen. Bei der Untersuchung fanden wir die Zunge etwas geschwollen, der Puls war versunken, schmal und kraftlos, besonders in der distalen Position. Die Diagnose lautete: Prolaps des qì aufgrund des Mangelzustandes (qì xū xià xiàn), ungefestigte Energie der Nieren (shèn qì bú gù), Versagen der Schließfunktion der Blase (páng guāng shī yuě). Sie wurde wie beschrieben behandelt mit Akupunktur von Di 4 (hè gǔ), N 7 (fù liū) und N 3 (tài xī). Es wurde täglich behandelt, und nach sechs Behandlungen waren die Symptome beseitigt.