- Mangel an Energie in der Niere (shèn qì xū ruò) und
- Mangel an Energie in Milz und Nieren (pí shèn liǎng xū)
Mangel an Energie in der Niere (shèn qì xū ruò)
Hier muss man im Wesentlichen das yáng der Niere tonisieren (bǔ shèn zhù yáng). Folgende Regionen werden beklopft:- Taille, Sakrum, Unterbauch, die Inguinalgegend, KG 12 (zhōng wǎn), LG 20 (bǎi huì), MP 6 (sān yīn jiāo) und Bl 23 (shèn shū);
- bei häufigem Urinieren mit Harndrang sind die wichtigsten Gebiete die Taille, der Unterbauch, KG 4 (guān yuán), Bl 23 (shèn shū) und LG 20 (bǎi huì);
- bei Erschöpfung, kalten Gliedmaßen und Frösteln die Taille, LG 14 (dà zhuī), Bl 23 (shèn shū), KG 12 (zhōng wǎn), KG 6 (qì hǎi) und Ma 36 (zú sān Iǐ);
- bei häufigem nächtlichen Wasserlassen, ohne dass der Patient dabei aufwacht, H 7 (shén mén) oder Pk 6 (nèi guān), Bl 15 (xīn shū) und LG 14 (dà zhuī).
Fallbeispiel 1: Enuresis (Bettnässen)
Ein zwölfjähriger Junge nässte seit seiner Säuglingszeit jede Nacht ein. Wenn er abends Suppe, Wassermelone oder Wasser zu sich nahm, konnte das sogar mehrfach in einer Nacht passieren. Er war schon erfolglos mit Kräutertherapie nach TCM sowie Akupunktur und Moxibustion behandelt worden. Bei der Untersuchung hatte er eine fahle Gesichtsfarbe, war normal groß und in mäßigem Ernährungszustand. Die äußeren Genitalien waren nicht deformiert, aber unterentwickelt. Der Urin war normal. Man konnte an beiden Seiten des Rumpfes weiche Schwellungen tasten, MP 6 (sān yīn jiāo) war druckempfindlich, der Puls schmal und in der distalen Position schwach. Die Zunge war blass mit dünnem weißem Belag. Die Diagnose lautete: Mangel an Energie in der Niere (shèn qì xū ruò), die nicht in der Lage ist, die unteren Teile des Körpers zu festigen (gù shè wú quán). Die Behandlung musste die Niere kräftigen und das ursprüngliche qì stärken (bǔ shèn péi yuán). Dazu musste man mäßig stark stimulieren. Drei Behandlungen besserten die Enuresis. Nach zwölf Behandlungen trat sie nicht mehr auf, und der Patient konnte sogar abends trinken oder Suppe oder Wassermelone zu sich nehmen. Es wurde zur Festigung noch ein weiterer Behandlungszyklus durchgeführt. Über ein Jahr lang hatte er keinen Rückfall.Mangel in Milz und Nieren (pí shèn liǎng xū)
Hier muss man die Milz kräftigen und die Niere Ionisieren (jiàn pí bǔ shèn).- Es werden beide Seiten der Brustwirbel 5 bis 12 beklopft, außerdem tastbare Schwellungen am Leib und am Sakrum, die Beine, Bl 20 (pí shū), Bl 23 (shèn shū), Ma 36 (zú sān Iǐ) und Pk 6 (nèi guān);
- bei abdominellen Blähungen, Durchfall, Aufstoßen, Appetitverlust werden beide Seiten der Brustwirbel 5 bis 12, der Oberbauch, KG 12 (zhōng wǎn) und Ma 36 (zú sān Iǐ) hauptsächlich beklopft;
- bei Kälteempfindlichkeit und Husten beklopft man Lu 9 (tài yuān), Bl 13 (fèi shū), Bl 23 (shèn shū), beide Seiten der Brustwirbel 3 bis 12 und Ma 36 (zú sān Iǐ).
Fallbeispiel 2: Enuresis (Bettnässen)
Ein 14jähriges Mädchen hatte seit ihrer Säuglingszeit Enuresis. Sie nässte fast jede Nacht ein. Wenn sie mehr trank oder sehr erschöpft war, passierte es mehrmals. Sie war schon erfolglos mit traditionellen Medikamenten behandelt worden. Ab und zu hatte sie Probleme mit ihrem Magen, musste aufstoßen, war appetitlos und bekam Durchfälle. Ihre Gesichtsfarbe war fahl, sie fühlte sich erschöpft. Der Puls war schmal und schwach, die Zunge mit weißem Belag bedeckt. Der Urin zeigte keinen pathologischen Befund. Man konnte weiche Schwellungen an ihrem Leib und am Sakrum tasten, außerdem Verhärtungen und druck-schmerzhafte Stränge beiderseits der Brustwirbel 5 bis 12. Die Diagnose lautete: Mangel in Milz und Niere. Die Behandlung musste die Milz kräftigen und die Niere tonisieren, um so die zusammenhaltende Funktion der Niere zu stärken (jiàn pí bǔ shèn gù shè). Folgende Gebiete wurden beklopft: Die Taille, das Sakrum, beide Seiten der Brustwirbel 5 bis 12, KG 12 (zhōng wǎn), KG 4 (guān yuán) und LG 20 (bǎi huì) und die tastbaren Knoten und Schwellungen. Es wurde mit mäßig starker Stimulation beklopft und geschlagen. Nach fünf Behandlungen hörte das Bettnässen auf. Nach einem weiteren Behandlungszyklus war die Patientin beschwerdefrei. Dann wurden nur noch die beiden Seiten der Wirbelsäule, besonders in die Taillengegend, KG 12 (zhōng wǎn) und LG 20 (bǎi huì) beklopft, um das Ergebnis zu festigen. Ihr Appetit war nun gut, der Stuhlgang normalisiert. Sie hatte keinen Rückfall in den nächsten anderthalb Jahren, nicht einmal, wenn sie abends viel Wasser getrunken hatte.Montakab, Hamid
Chinesische Medizin heute
Ein westliches Lehrbuch der östlichen Heilkunst
Das Organon der Chinesischen Medizin
Hamid Montakab ist einer der renommiertesten TCM-Therapeuten im deutsch- und französischsprachigen Raum. Er praktiziert und lehrt in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland. Er war Mitbegründer und langjähriger Präsident der Schweizerischen Berufsorganisation für TCM (SBO-TCM) und gründete 1986 die Chiway Akademie für Akupunktur und asiatische Medizin in Winterthur. Er ist in der östlichen Medizin ebenso zu Hause wie in der westlichen und versteht es wie kein anderer, dieses Wissen mit seiner Praxiserfahrung aus Europa, Indien, China und den USA zu kombinieren.