Zur Behandlung von Erkältungen sind zwei Punkte ausreichend. Wenn der Patient nicht schwitzt, wird am Punkt Di 4 (hè gǔ) tonisierend gestochen und am Punkt N 7 (fù liū) sedierend. Wenn er schwitzt, wird umgekehrt manipuliert. Dem liegt zugrunde, dass man mit dieser Behandlung die Oberfläche von Krankheitserregern befreit (jiě biǎo qū xié). Die Poren werden durchlässig gemacht (tōng tiáo xuán fǔ).

Akupunktur von Patienten, die nicht schwitzen

Durch die Einwirkung der kalten Pathogene wird die Haut enggestellt und ist nicht in der Lage zu schwitzen. Deshalb breiten sich Fieber, Frösteln, Kopfschmerzen und Schmerzen über den ganzen Körper aus. Der Zungenbelag ist dünn und weiß, und der Puls schwebend und eng (fú jǐn). Hier ist tonisierende Manipulation am Punkt Di 4 (hè gǔ)  indiziert.

Der Therapeut nimmt jeweils eine 30 G dünne 1 cùn lange Nadel in jede Hand. Die rechte Hand des Patienten wird mit der linken Hand des Therapeuten gestochen und umgekehrt. Man führt die Nadel so ein, dass sie zwischen Zeigefinger und Daumen gehalten wird, wobei der Zeigefinger die Nadeldrehung nach vorwärts und der Daumen nach rückwärts leitet. Man dreht die Nadel um 45 bis 90 Grad und führt sie dabei langsam in eine Tiefe von etwa 0,5 cùn. Nach dem Erreichen des qì-Gefühls dreht man die Nadel noch neunmal in derselben Weise, bis der Therapeut eine Art Widerstand fühlt, ohne dass an der Tiefe des Einstichs etwas geändert wird.

Am Punkt N 7 (fù liū) soll sedierend manipuliert werden. Dieser Punkt liegt am Unterschenkel, und die Nadeln werden in derselben Weise gleichzeitig rechts und links eingeführt. Allerdings dreht hier der Daumen des Therapeuten nach vorwärts und der Zeigefinger rückwärts. Man dreht die Nadel beim Einführen um 180 bis 360 Grad. Dann zieht man den Nadelschaft schrittweise wieder in die ursprüngliche Stellung zurück. Der Nadelschaft wird langsam bis zu einer Tiefe von 0,5 cùn eingeführt. Dabei dreht man die Nadel sechsmal, wobei sie jedes Mal etwas angehoben wird, so dass der Therapeut ein leeres Gefühl unter der Nadel spürt, ohne dass die Einstichtiefe verändert wird. Alle Nadeln werden 30 Minuten liegengelassen. Wenn der Patient sich in dieser Zeit unwohl fühlt, manipuliert man die Nadel alle 5 bis 10 Minuten.

Akupunktur von Patienten, die schwitzen

Pathogener Wind wirkt ein, und die Abwehrmechanismen sind nicht kräftig genug (fěng zhōng yú wèi). Schweiß bricht aus. Außerdem hat der Patient eine Abneigung gegen Kälte, Schmerzen im ganzen Körper, einen dünnen weißen Zungenbelag und einen gemäßigten Puls (huǎn).

Hier wird Di 4 (hè gǔ) sedierend gestochen, wobei die Manipulation angewendet wird, wie sie für N 7 (fù liū) oben beschrieben wurde. N 7 (fù liū) wird tonisierend gestochen mit der Manipulation, wie oben bei Di 4 (hè gǔ) beschrieben. Jede Nadel wird 30 Minuten liegengelassen, wobei sie in dieser Zeit ein- bis dreimal manipuliert wird.

Wem die beidhändige Manipulation unpraktisch erscheint, kann auch in folgender Weise mit einer Hand manipulieren: Drehen der Nadel im Uhrzeigersinn ist tonisierend, und Drehen gegen den Uhrzeigersinn ist sedierend bei den drei yáng-Meridianen der rechten Hand, den drei yīn-Meridianen des rechten Fußes, den drei yáng-Meridianen des linken Fußes und den drei yīn-Meridianen der rechten Hand. Drehen der Nadel gegen den Uhrzeigersinn ist tonisierend und Drehen im Uhrzeigersinn ist sedierend bei den drei yīn-Meridianen der rechten Hand, den drei yáng-Meridianen des rechten Fußes, den drei yīn-Meridianen des linken Fußes und den drei yáng-Meridianen der linken Hand. Wenn die Erscheinungsformen der Erkrankung untypisch sind oder verbunden mit anderen Zeichen und Symptomen, kann man auch gleichmäßig sedieren und tonisieren und die zwei Punkte mit anderen kombinieren, um ein besseres Ergebnis zu erreichen.

Fallbeispiel 1

Eine 58jährige Frau begann plötzlich des Nachts zu frösteln, nachdem sie mehrere heiße Sommertage lang gearbeitet hatte. Sie schwitzte nicht, fröstelte aber, obwohl sie sich eine dicke Decke umlegte.

Di 4 (hè gǔ) wurde bei ihr tonisierend genadelt und N 7 (fù liū) sedierend gestochen. Die Nadeln wurden zehn Minuten liegen gelassen, und das Frösteln war gelindert. Um die Patientin warm zu halten, wurden die Nadeln während dieser Zeit nicht manipuliert. Am nächsten Morgen war sie zwar etwas erschöpft, fühlte sich aber ansonsten sehr wohl.

Fallbeispiel 2

Ein 45jähriger Mann hatte eine schwache körperliche Konstitution. Er war pathogenem Wind ausgesetzt und bekam Kopfschmerzen, einen rasselnden Schnupfen und eine zunehmende Abneigung gegen Wind, nachdem er geschwitzt hatte. Er empfand abwechselnd Hitze und Kälte und litt an Gliederschmerzen. Er hatte einen dünnen weißen Zungenbelag und einen gemäßigten schwebenden Puls (fú huǎn). Er wurde am Punkt Di 4 (hè gǔ) tonisierend gestochen, am Punkt N 7 (fù liū) sedierend. Die Nadeln wurden 30 Minuten belassen und in dieser Zeit zweimal manipuliert.