Wesentlich bei der Auswahl der Punkte zur Akupunktur der Fazialisparese (Gesichtslähmung) ist die Differenzierung der Syndrome auf der Grundlage des Verlaufs der Meridiane.

Punktauswahl

Wenn die Augen tränen, der Mund schief und die Augen verzogen sind sowie die Nasolabialfalte verstrichen ist, akupunktiert man Punkte der yáng míng-Meridiane von Hand und Fuß, da sie die Heimat des yīn und yáng sind: Ma 1 (chéng qì), Ma 2 (sì bái), Di 20 (yíng xiāng), Ma 4 (dì cāng), Ma 6 (jiá chě), Ma 7 (xià guān), Di 4 (hé gǔ).

Wenn die Falten auf der Stirn verstrichen sind, die Wangen unempfindlich und Schmerzen im Mastoid auftreten, akupunktiert man Punkte der shào yáng-Meridiane von Hand und Fuß und dem tài yáng-Meridian: Gbl 14 (yáng hái), Bl 2 (zǎn zhú), Dü 18 (quán liáo), 3E 17 (yì fěng), Gbl 20 (fěng chí), 3E 5 (wài guān), Gbl 41 (zú lín qì).

Methode

Die Nadeln sollen 30 Minuten liegen bleiben und alle zehn Minuten manipuliert werden. Es wird täglich behandelt. Bei minder schweren Fällen mit kurzem Verlauf (1-2 Wochen) können 5-15 Sitzungen eine Besserung oder sogar Heilung bewirken.

Bei schweren und hartnäckigen Fällen mit längerem Verlauf (drei bis mehr als zwölf Monate) haben sich bewährt:

  • Die Kombination von Ashi-Punkten (druckempfindliche Punkte außerhalb der Meridiane) mit Punkten auf den Meridianen;
  • die Kombination von Nah- und Fernpunkten;
  • die Reihenakupunktur für „oberflächliches Punktieren von Punkt zu Punkt“ und „tiefes Punktieren von Punkt zu Punkt“.

Reihenakupunktur bedeutet den bestimmten Ablauf der Durchstich-Akupunktur von Punkt zu Punkt. Oberflächliche Akupunktur bedeutet Akupunktur in der subkutanen Schicht, tiefe Akupunktur in der Muskulatur.

Modifikationen

Bei Patienten mit Abflachung der Falten auf der Stirn und Unfähigkeit, den Mund zu verziehen, verwendet man die oberflächliche Methode an den Punkten Bl 3 (méi chōng) in Richtung Bl 1 (jīng míng), Gbl 15 (tóu Iín qì) in Richtung yú yāo, Ma 8 (tóu wéi) in Richtung 3E 23 (sī zhú kōng), Bl 2 (zǎn zhú) in Richtung 3E 23 (sī zhú kōng) und què shàng (5 fěn oberhalb von yìn táng) in Richtung Gbl 6 (xuán lí).

Wenn der Mundwinkel zur normalen Seite hin verzogen wird und das Gefühl über den Wangenmuskeln taub und dumpf ist, kann man tài yáng in Richtung Dü 18 (quán liáo) und tài yáng in Richtung Ma 6 (jiá chě) stechen.

Wenn man eine 3 cùn lange dünne Nadel benutzt, kann man sie am Punkt tài yáng einstechen, durch den Jochbogen (arcus zygomaticus) hindurchführen bis zum Punkt Dü 18 (quán liáo), dann manipulieren mit der gleichmäßig tonisierenden und gleichmäßig sedierenden Methode und die Nadel zehn Minuten liegenlassen. Dann ziehe man sie ins Subkutangewebe zurück und akupunktiere erneut durchgreifend in Richtung den Punkt Ma 6 (jiá chě), manipuliere in derselben Weise und belasse die Nadel für zehn Minuten.

Außerdem akupunktiere man durchstechend von Ma 4 (dì cāng) bis Ma 6 (jiá chě) oder von LG 26 (rén zhōng) bis Dü 18 (quán liáo) und von KG 24 (chéng jiāng) bis Ma 5 (dà yíng).

Bei Abflachung der Nasolabialfalte akupunktiere man die Punkte Di 20 (yíng xiāng) und Ma 3 (jù liáo), bei Druckempfindlichkeit über dem Processus mastoideus 3E 17 (yì fěng) und die schmerzhaften Punkte.

Zusätzlich kann man folgende Punkte benutzen, um das Blut zu aktivieren, die Meridiane zu reinigen, den Wind zu vertreiben und die Sehnen zu entspannen: Di 4 (hé gǔ), Ma 4 (dì cāng), 3E 5 (wài guān), Gbl 41 (zú lín qì), Le 3 (tài chōng). Man behandle auch hier einmal täglich oder jeden zweiten Tag mit dünnen Nadeln mit sedierender Manipulation und belasse die Nadeln 30 Minuten, wobei man alle zehn Minuten manipuliert. Zehn Sitzungen bilden einen Therapiezyklus, gewöhnlich benötigt man 3 bis 7 Zyklen.

Fallbeispiel: Fazialisparese

Eine 48jährige Lehrerin klagte über eine Gesichtslähmung links, die seit einem halben Jahr bestanden hatte. Sie wurde erfolglos in verschiedenen Krankenhäusern behandelt. Bei der Aufnahmeuntersuchung fanden sich ein schmerzgeplagter Gesichtsausdruck, der rechte Mundwinkel war verzogen, an der linken Stirn waren die Falten verstrichen, ebenso die Nasolabialfalte, die Augen konnten nur halb geschlossen werden und tränten. Auf derselben Seite waren auch die Wangen taub und unempfindlich.

Die Patientin konnte die Zähne nicht zeigen, die Wange nicht aufblasen, nicht pfeifen oder die Stirn runzeln. Sie hatte profuse Schweißausbrüche und verlor beim Sprechen Luft. Ihr Puls war gespannt und schmal (xián xì), der Zungenbelag weiß. Sie wurde nach den oben angegebenen Prinzipien behandelt.

Auf der betroffenen Seite wurden folgende Punkte ausgewählt:

  • Durchstich-Akupunktur von Bl 3 (méi chōng) bis Bl 2 (zǎn zhú), Gbl 15 (tóu lín qì) in Richtung yú yāo, Ma 8 (tóu wéi) in Richtung 3E 23 (sī zhú kōng);
  • Akupunktur von tài yáng in Richtung 3E 18 (chì imài), tài yáng in Richtung Ma 6 (jiá chě), Ma 4 (dì cāng) bis Ma 6 (jiá chě);
  • Akupunktur von LG 26 (rén zhōng) in Richtung 3E 18 (chì imài), KG 24 (chéng jiāng) bis Ma 5 (dà yíng), außerdem Di 4 (hé gǔ) und Le 3 (tài chōng).

Es wurden dünne Nadeln benutzt. Sie wurden sedierend manipuliert und dann 30 Minuten liegengelassen. In dieser Zeit wurden sie in Abständen von zehn Minuten manipuliert. Behandlungen fanden jeden zweiten Tag statt. Nach zwei Behandlungszyklen war sie gebessert: Der Speichel floss ihr nicht mehr aus dem Mundwinkel, und sie konnte leicht kauen. Aber der Tränenfluss bestand weiter, und der Augenschluss war weiter schlecht. Die Punkte KG 24 (chéng jiāng) und Gbl 20 (fěng chí) wurden zusätzlich genadelt. Nach fünf Behandlungsserien war sie beschwerdefrei.

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Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin

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