Syndromdifferenzierung und therapeutische Prinzipien bei Husten
Man unterscheidet den äußeren von inneren Husten-Typ durch die entsprechenden Symptome und Befunde. Einen äußeren Husten-Typ (wài gǎn) erkennt man daran, dass die Erkrankung erst kürzlich aufgetreten ist und plötzlich mit Fieber und Frösteln begonnen hat. Hier sollten die krankheitsverursachenden Faktoren (Pathogene) beseitigt und die Lunge gestärkt werden (qū xié lì fèi). Der innere Husten-Typ (nèi shāng) hat schon mehrere Krankheitsepisoden durchgemacht mit langanhaltenden Verläufen. Die Abwehrkraft des Körpers ist schwach, und es zeigen sich mehrere Pathogene (zhèng xū xié shí). Deshalb müssen die Abwehrkraft des Körpers gestärkt und Pathogene eliminiert werden (qū xié fú zhèng). Wenn der Husten durch Lungen-Yin-Mangel oder durch Lungen-Qi-Mangel verursacht wird, muss man die Lungen nähren (bǔ fèi). Diese grundsätzlichen therapeutischen Prinzipien können durch Akupunktur und Moxibustion umgesetzt werden.
Äußerer Husten-Typ
Bei der Behandlung des Hustens durch äußere Pathogene muss man den Wind ausleiten, die anderen oberflächlichen Pathogene beseitigen (shū fěng jiě biǎo) und das Lungen-qì verteilen (xuān tōng fèi qì). Dazu akupunktiert man Bl 12 (fěng mén), Bl 13 (fèi shū), Lu 5 (chǐ zé) und Di 4 (hé gǔ).
Modifikationen
- Bei Wind-Kälte Moxibustion von LG 14 (dà zhuī) mit 5 bis 7 Moxakegeln, um Wind und Kälte auszuleiten;
- bei Wind-Hitze Akupunktur von LG 14 (dà zhuī) und Di 11 (qū chí) mit sedierender
Manipulation, um pathogene Hitze auszutreiben; - bei Wind-Trockenheit soll man KG 23 (lián quán) nadeln und am Punkt Lu 11 (shào shāng) blutenlassen um die trockene Hitze zu klären;
- bei trockenem und kratzendem Rachen nadele man zusätzlich KG 22 (tiān tú);
- bei sehr heftigem Husten gebe man zusätzlich Lu 6 (kǒng zuì);
- wenn dauernd sehr viel Sputum produziert wird, akupunktiere man zusätzlich Ma 40 (fěng lóng);
- bei blutigem Sputum zusätzlich Lu 10 (yú jì);
- bei verstopfter Nase gebe man Di 20 (yíng xiāng) und LG 23 (shàng xīng) dazu.
Nadelmanipulation
Manipuliert wird bei hohem Fieber und heftigem Husten im Wesentlichen mit der Methode des Hebens und Senkens sowie mit Drehen und Rotieren der Nadeln. Die Stimulation sollte umso stärker sein, je länger die Nadeln danach liegen gelassen werden.
Innerer Husten-Typ
Bei Husten aus innerer Ursache muss man die Lunge regulieren und den Fluss des qì besänftigen (Iǐ fèi shùn qì), den Husten stillen und den Schleim umwandeln (huà tán zhǐ ké). Dazu akupunktiert man als Hauptpunkte Bl 13 (fèi shū), Lu 3 (tiān fŭ), Lu 5 (chǐ zé), Lu 9 (tài yuān), Di 4 (hé gǔ) und Ma 36 (zú sān Iǐ).
Modifikationen
- Bei Nässe und Schleim gibt man Bl 20 (pí shū), MP 9 (yīn líng quán) und MP 6 (sān yīn jiāo), um die Milz zu stärken und Schleim auszuleiten (jiàn pí huà shī);
- bei Hitze und Schleim gibt man Lu 6 (kǒng zuì) und Lu 11 (shào shāng), um die Hitze zu klären (qīng rè);
- bei sehr viel Schleim (Schleim-Syndrom) gibt man KG 17 (dàn zhōng), KG 22 (tiān tú) und KG 6 (qì hǎi), um die Lunge zu wärmen und den Schleim auszuleiten (wěn fèi huà yǐn);
- bei ausgeprägtem Feuer der Leber gibt man Bl 18 (gān shū), Le 14 (qí mén) und Le 3 (tài chōng), um die Lunge zu klären, die Leber zu beruhigen und das Feuer der Leber zu unterdrücken (qīng fèi píng gān jiàng huǒ).
Nadelmanipulation
Bei Schleim-Nässe, bei Hitze-Schleim und bei Leber-Feuer ist sedierende Manipulation indiziert, um die Pathogene zu vertreiben; beim Schleim-Syndrom muss man die Pathogene mit warmen Methoden umwandeln und deshalb moxibustieren; bei Mangel in der Milz muss man alle Punkte moxibustieren oder tonisieren, um die Milz zu stärken.
Durch fortwährendes Husten kann ein Mangelzustand der Lunge mit Verbrauch von yīn (fèi yīn kuī hào), Lungen-Yin-Mangel und inneren Verbrennungen durch leere Hitze eintreten (xū rè nèi zhuó), der sich manifestiert durch trockenen Husten mit Kurzatmigkeit, wenig Auswurf oder Auswurf mit Blutspuren, Heiserkeit, Nachtschweiß und Fieberschübe, Abmagerung und allgemeine Erschöpfung, eine rote Zunge mit spärlichem Belag sowie einen schmalen und beschleunigten Puls. Hier ist das Nähren des yīn der Lunge wichtig (bǔ fèi yǎng yīn). Dazu akupunktiert man Bl 13 (fèi shū), Bl 43 (gāo huāng), Lu 9 (tài yuān) und Ma 36 (zú sān Iǐ).
Ergänzungen
- Bei Fieberschüben gibt man zusätzlich Pk 5 (jiān shǐ) und N 3 (tài xǐ);
- bei Bluthusten akupunktiert man Lu 10 (yú jì) und Lu 6 (kǒng zuì) mit tonisierender Manipulation.
Wenn der Mangel in der Lunge die Niere geschädigt hat (fèi qì xū ruò) und ein Mangel an Energie in der Niere entstanden ist (shèn qì xū ruò), kann die Niere das qì nicht halten und Asthma und Husten entstehen. Dann muss man die Niere stärken, damit sie das qì wieder halten kann (bǔ shèn nà qì). Dazu behandelt man LG 4 (mìng mén), Bl 23 (shèn shū), KG 6 (qì hǎi), KG 4 (guān yuán) und Ma 36 (zú sān Iǐ) mit tonisierender Nadelmanipulation oder Moxibustion.
Fallbeispiel: Äußerer Husten-Typ
Eine 30jährige Arbeiterin klagte über Husten mit Fieber und Frösteln, der sie seit drei Tagen geplagt hatte. Außerdem hatte sie Kopfschmerzen, Schmerzen am ganzen Körper und Fieber. Sie schwitzte nur wenig und hustete stark, wobei sie einen weißen Auswurf gemischt mit dickem gelbem Schleim produzierte. Sie klagte über Kratzen im Rachen, Kurzatmigkeit, Schmerzen und Völlegefühl im Brustkorb, trockenen Mund und Durst. Sie hatte Zungenbelag und einen schwebenden schlüpfrigen Puls (fú huá).
Bei der Untersuchung hatte sie 38,8° C Temperatur, 12 000 weiße Blutzellen (84% Neutrophile, 14% Lymphozyten, 2% Eosinophile), die Durchleuchtung des Thorax war unauffällig.
Diagnose: Kalter Wind hat die muskuläre Oberfläche angegriffen (fěng hán kè yú jī biǎo) und die Lunge ist mit schleimigem Auswurf blockiert (tán zhuó zǔ yú fèi zhōng). Dadurch wird ein Versagen der verteilenden Funktion der Lunge verursacht (fèi qì shī xuān). Man muss hier vorsichtig sein, damit sich die Erkrankung nicht in Hitze verwandelt (huà ré).
Die Behandlung besteht darin, die oberflächlichen Pathogene auszuleiten, die Lungenenergie zu verteilen und den Schleim zu zerstreuen (jiě biǎo xuān fèi huà tán). Behandelt wurde an den Punkten Bl 12 (fěng mén), Bl 13 (fèi shū), LG 14 (dà zhuī), Lu 5 (chǐ zé), Di 4 (hé gǔ), N 7 (fù liū). Mittels schnellem Heben und langsamem Senken der Nadel wurde sedierend manipuliert. Die Nadeln wurden 20 Minuten liegen gelassen. In der folgenden Nacht schwitzte die Patientin, und das Fieber und Frösteln wurde geringer. Bei der zweiten Sitzung wurden dieselben Punkte benutzt ohne LG 14 (dà zhuī), Di 4 (hé gǔ) und N 7 (fù liū). Zusätzlich wurde Lu 9 (tài yuān) genadelt, um die Lungenenergie zu regulieren und Ma 40 (fěng lóng) gegen den Schleim. Nach drei Sitzungen war der Husten nicht mehr aufgetreten.
Fallbeispiel: Innerer Husten-Typ
Ein 50jähriger Mann hatte chronischen Husten, der sich besonders im Winter verstärkte. Am Tag bevor er in unser Krankenhaus kam, erkältete er sich, und der Husten wurde schlimmer. Wenn der Patient stark hustete, schwitzte er und war kurzatmig und asthmatisch. Er hatte schaumigen weißen Auswurf, der mit einem rasselnden Geräusch einherging. Der Patient empfand ein Völlegefühl in der Brust, fröstelte ein wenig und hatte Fieber. Er war nicht durstig und hatte seinen Appetit verloren. Der Zungenbelag war fettig und weiß, der Puls schmal und gespannt (xì xián).
Die westliche Diagnose war: Akute Episode einer chronischen Bronchitis. Die Diagnose nach der TCM: Schleim hat die Lunge angegriffen, bedingt durch die Einwirkung von Wind-Kälte. Der Schleim blockierte die Lunge, so dass die Lunge das qì nicht mehr verteilen konnte, weshalb Husten und Asthma entstanden.
Die Behandlung bestand darin, die Lungenenergie mit warmen Methoden zu verteilen und so den Schleim auszuleiten. Die oberflächlichen Pathogene mussten eliminiert werden. Die Punkte Bl 13 (fèi shū), KG 22 (tiān tú), KG 17 (dàn zhōng), Lu 5 (chǐ zé), Ma 40 (fěng lóng), Di 4 (hé gǔ) und 3E 5 (wài guān) wurden leicht sedierend manipuliert. An den Punkten Bl 13 (fèi shū) und KG 17 (dàn zhōng) wurde nach der Akupunktur moxibustiert.
Die Behandlung wurde über drei Tage täglich durchgeführt. Danach waren Fieber und Frösteln stark vermindert sowie Husten und Asthma gemildert. Aber die Schleimsekretion war immer noch stark, und der Appetit schlecht. Der Zungenbelag war unverändert. Für fünf Tage wurden nun dieselben Punkte ohne Di 4 (hé gǔ) und 3E 5 (wài guān) akupunktiert plus KG 12 (zhōng wǎn) und Ma 36 (zú sān Iǐ), um die Funktion des Magens zu regulieren. Der Appetit war danach besser, die Schleimsekretion nur noch spärlich. Der Patient wurde angewiesen, sich an den Punkten KG 6 (qì hǎi) und Ma 36 (zú sān Iǐ) selbst zu moxibustieren, um die Behandlungsergebnisse zu festigen und weiter zu verbessern.
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