Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin können bei Impotenz verschiedene Systemzustände vorliegen, die jeweils einer spezifischen Behandlung bedürfen. Grundlegend ist allerdings die Behandlung der bā liáo Punkte.

Leber- und Nieren-Yin-Mangel

Bei Impotenz aufgrund von Mangelzuständen des yīn der Niere (shèn yīn kuī xū) und Unterernährung der männlichen Genitalien (zōng jīn shī yǎng) sollten Leber und Nieren genährt und tonisiert werden (bǔ yì gān shèn). Es werden die Punkte Bl 23 (shèn shū), MP 6 (sān yīn jiāo), Le 5 (lǐ gōu), N 3 (tài xī), Bl 32 (cì liáo) und Bl 33 (zhōng liáo) ausgewählt. Sie werden tonisierend manipuliert. Außerdem wird das traditionelle Medikament Radix Rehmanniae mit sechs Bestandteilen (liù wèi dì huáng) verordnet.

Nieren-Yang-Mangel

Bei Mangel an yáng in den Nieren (shèn yáng bù zú) mit Schwäche des Feuers im Tor des Lebens (mìng mén shuāi wěi) soll man die Nieren wärmen, um das Feuer zu schüren (wěn shèn yì haǒ). Folgende Punkte werden ausgewählt: LG 4 (mìng mén), Bl 23 (shèn shū), Bl 52 (zhì shì), KG 6 (qì hǎi), KG 4 (guān yuán), Bl 32 (cì liáo) und Bl 33 (zhōng liáo). Sie werden tonisierend manipuliert und moxibustiert.

Herz und Nieren harmonieren nicht

Ist der Fluss des qì durch große Furcht beeinträchtigt (jīng kǒng qì luàn) und die Verbindung zwischen Niere und Herz gestört (xīn shèn bù jiāo), soll man den Patienten sedieren und seinen Geist beruhigen (ān shèn níng zhì). Dazu werden folgende Punkte ausgewählt: Bl 15 (xīn shū), Bl 23 (shèn shū), N 6 (zhào hǎi), H 7 (shén mén), Bl 32 (cì liáo) und Bl 33 (zhōng liáo). Alle Punkte werden tonisierend manipuliert.

Nässe-Hitze fließt nach unten

Wenn Nässe-Hitze nach unten fließt (shī rè bù rǎng) und die „ursprünglichen Sehnen“ lockert (zōng jīn chí zòng), werden folgende Punkte gewählt: N 7 (fù liū), MP 4 (gōng sūn), MP 9 (yīn Iíng quán), N 3 (tài xī), Bl 32 (cì liáo) und Bl 33 (zhōng liáo). Alle Punkte werden zuerst tonisierend und dann sedierend manipuliert.

Verletzung der Taille und des Sakrum

Wenn die Taille und das Sakrum verletzt wurden, muss man das Lenkergefäß kräftigen (bǔ yì dū mài), sobald die Ursachen der Störung beseitigt wurden. Hier werden folgende Punkte benötigt: Bl 31 (shàng liào) bis Bl 34 (bā liáo), Bl 40 (wěi zhōng), Bl 60 (kūn lún), yaō yǎn. Diese Punkte werden akupunktiert und moxibustiert oder spitz genadelt oder massiert oder mit Tuina behandelt.

Emotionale Störungen

Es gibt auch emotionale Störungen, die Impotenz verursachen. Hier muss man auch psychologische Therapien anwenden. Man kann also keine allgemeinen Maßnahmen angeben, sondern je nach dem Krankheitsbild muss man die Punkte flexibel auswählen.

Bā liáo Punkte

Die Punkte bā liáo (besonders Bl 32 (cì liáo) und Bl 33 (zhōng liáo)) sind zur Behandlung von Impotenz unerlässlich. Da sie zum Blasenmeridian gehören, sind sie auf dem Becken gelegen, haben eine Verbindung zu den Zustimmungspunkten am Rücken und laufen nach unten in Richtung auf LG 2 (yāo shū) und Bl 35 (huì yàng) zu. Sie liegen also gegenüber von KG 6 (qì hǎi) und KG 4 (guān yuán) und sind so in einer strategisch wichtigen Position. Man muss sie sehr präzise nadeln. Nach dem Erreichen des qì-Gefühls sollte man nicht heftig, sondern nur mild stimulieren, bis sich das Nadelgefühl ins Perineum ausbreitet. Wenn man moxibustiert, soll man die indirekte Methode wählen. Wenn man die Punkte mit den Fingern massiert, sollte man das auf beiden Seiten gleichzeitig für fünf Minuten tun.

Fallbeispiel

Ein 56jähriger Mann war impotent geworden, nachdem er ein Jahr lang mit Chemotherapeutika wegen eines Rektumkarzinoms behandelt worden war. Bei der Untersuchung hatte er einen schmalen und schwachen, aber gespannten und beschleunigten Puls (xián xì shuò ruò). Seine Zunge war karmesinrot und hatte einen dünnen weißen Belag. Er fühlte sich sehr erschöpft und hatte schwache Glieder mit wunden Empfindungen in der Taille und mit Lumbago. Besonders nachmittags war er sehr nervös. Obwohl er durstig war, hatte er keinen Drang zu trinken. Urin und Stuhl waren normal. Die Diagnose lautete: Postoperative Verletzung des Konzeptionsgefäßes und des Lenkergefäßes mit Mangel an yīn in Leber und Nieren (gān shèn yīn xū). Die Behandlung musste Nieren und Leber tonisieren und auch das Lenkergefäß und das Konzeptionsgefäß pflegen (bū yì gān shèn, jiān lǐ rèn dū). Folgende Punkte wurden ausgewählt: Bl 33 (zhōng liáo), Bl 32 (cì liáo), MP 6 (sān yīn jiāo), Le 5 (lǐ gōu), N 3 (tài xī), Bl 23 (shèn shū), LG 2 (yāo shū), KG 6 (qì hǎi). Alle Punkte wurden mild tonisierend manipuliert. Nach zehn Behandlungen konnte er seinen Penis morgens etwas erigieren. Nach zwanzig Behandlungen konnte er normalen Geschlechtsverkehr haben. Im Weiteren wurde er mit traditionellen Medikamenten behandelt, und es wurde ihm zu Qigong-Übungen geraten.