Man untersucht die schmerzenden Stellen am Kopf daraufhin, welche Leitbahnen betroffen sind. Dann differenziert man das Syndrom, untersucht die Ursachen und entscheidet, ob es sich um Kopfschmerzen vom Fülle- oder Mangeltyp handelt. Schließlich kann man das entsprechende Behandlungsprinzip aufstellen sowie die Punkte und Manipulation der Nadeln festlegen. Die regionale Verteilung der Schmerzen weist auf die Betroffenheit folgender Leitbahnen hin:
  • Bei okzipitalen Kopfschmerzen ist der Blasenmeridian (Fuß tài yáng) betroffen.
  • Bei Kopfschmerzen in der Frontalregion ist der Magenmeridian (Fuß yáng míng) betroffen.
  • Bei Migräne (temporaler Kopfschmerz) ist der Gallenblasenmeridian (Fuß shào yáng) betroffen.
  • Bei Schmerzen im Bereich des Scheitels ist der Lebermeridian (Fuß jué yīn) betroffen.
  • Der ganze Kopf kann ebenfalls betroffen sein.

Hinterkopfschmerzen

Hier wandert dringt Wind-Kälte in den Blasenmeridian (Fuß tài yáng) ein und führt zu Schmerzen, die sich in Nacken und Rücken ausbreiten und die typischen Begleitsymptome von Wind und Kälte aufweisen. Die Behandlung muss Kälte und Wind zerstreuen (shū fěng sàn hán), Blut und qì harmonisieren (tiáo hé qì xuè) und die Meridiane öffnen (tōng dá jīng luò). Nach der Regel, dass die Krankheiten der oberen Körperhälfte an der unteren Körperhälfte behandelt werden sollen, wird der Brunnenpunkt (jǐng xué) des Blasenmeridians Bl 67 (zhì yin) genadelt. Besonders bei geistig arbeitenden Menschen sieht man oft diesen okzipitalen Kopfschmerz.

Fallbeispiel: Kopfschmerzen

Eine 46jährige Frau litt seit fünf Jahren immer wieder an okzipitalen Kopfschmerzen, die bei geistig anstrengender Arbeit stärker wurden und mit Schwindel verbunden waren. Sie wurden schlimmer, wenn sie den Kopf nach vorn beugte. Ihr Appetit war gering. Miktion und Stuhlgang waren normal. Bei der Untersuchung hatte sie einen weißen Zungenbelag und einen versunkenen und schmalen Puls (chén xì). Die Diagnose war: Kopfschmerzen durch geistige Überanstrengung mit Blockade von qì und Blut im Blasenmeridian. Die Kopfschmerzen verschwanden durch Akupunktur von Bl 67 (zhì yīn) innerhalb von vier Sitzungen.

Stirnkopfschmerzen

Dieser Kopfschmerztyp wird meistens durch Hitze im Magenmeridian (Fuß yáng míng) verursacht. Ist ein äußerer pathogener Faktor die Ursache, findet man außerdem noch hohes Fieber, heftigen Durst, profuse Schweißausbrüche und volle Pulse (hóng dà). Flammt dagegen inneres Feuer im Magenmeridian nach oben, haben die Patienten oft eine Neigung zu sehr scharfen Speisen, Mundfäule und geschwollenem Zahnfleisch. Die Behandlung besteht darin, die Hitze zu vermindern (xiè wèi rè) und qì und Blut zu regulieren (qīng Iǐ qì xuè). Hierzu wird der Sammelpunkt des Magenmeridians KG 12 (zhōng wǎn) sedierend akupunktiert.

Seitlicher Kopfschmerzen

Migräne mit der Lokalisation im Bereich des Gallenblasenmeridians (Fuß shào yáng) sollte behandelt werden, indem Wind zerstreut wird, um den Schmerz zu stillen (shū fěng zhǐ tòng) und die Meridiane zu öffnen (tōng jīng huó luò). Dazu wählt man folgende Punkte aus: 3E 23 (sī zhú kōng) in Richtung Gbl 8 (shuài gǔ) gestochen, Di 4 (hé gǔ), Lu 7 (liè quě) und Gbl 41 (zú lín qì). Diese Gruppe von Punkten ist auch grundlegend für die Behandlung aller Arten von Migräne. Bei äußerem Wind ist der Schmerz anhaltend, wird durch Wind und Kälte verschlimmert und ein steifer Nacken stellt sich ein. Dann soll man auch Gbl 20 (fěng chí), Di 11 (qū chí) und Gbl 39 (jué gǔ) akupunktieren. Bei überschießender Hitze in Leber und Gallenblase (gān dǎn shí rè), die sich in pulsierenden einseitigen Schmerzen mit schneidendem Charakter und gerötetem Gesicht zeigt, nadelt man sì shén cōng und Le 2 (xíng jiān) und lässt Blut am Punkt 3E 23 (sī zhú kōng) ab. Bei einem Mangelzustand in Magen und Milz verbunden mit Völlegefühl und bandförmigen Kopfschmerzen, Appetitverlust und geblähtem Bauch akupunktuiert und moxibustiert man an den Punkten Gbl 5 (xuán lú), Gbl 4 (hàn yàn), KG 12 (zhōng wǎn), Ma 36 (zú sān Iǐ) oder Ma 40 (fěng lóng) und KG 6 (qì hǎi).

Scheitelkopfschmerzen

Diese Form des Kopfschmerzes wird verursacht durch Eindringen von pathogener Wind-Kälte in den Lebermeridian (Fuß jué yīn) oder durch aufbrausendes yáng der Leber. Hier akupunktiert man sì shén cōng, Di 4 (hé gǔ) und Le 3 (tài chōng), um die Leber zu besänftigen (róu gān), die Kälte zu zerstreuen (sàn hán), das hochschießende Qi zu senken (jiàng nì) und den trüben Schleim umzuwandeln (huà zhuó). Bei aufbrausendem yáng der Leber kann man an den Extrapunkten M-HN 1 sì shén cōng mit scharfen Nadeln blutenlassen. So kann man oft sofortige Erleichterung erzielen.

Schmerzen des ganzen Kopfes

Dieser wird verursacht durch eine Blockade aufgrund von Nässe-Schleim (tán shī zǔ luò) bei Mangel an Essenz der Nieren (shèn jīng bù zú) und Mangel an qì und Blut (qì xuè liǎng kuī), wobei die Erscheinungsformen sehr unterschiedlich sind. Bei Kopfschmerzen durch Nässe und Schleim akupunktiert man KG 12 (zhōng wǎn), um die Nässe zu trocknen, den Schleim zu zerstreuen und das Trübe abzusenken (zào shī huà tán jiàng zhuó). Bei Kopfschmerzen durch Mangel in den Nieren (shèn xū) moxibustiert man LG 20 (bǎi huì) und KG 4 (guān yuán), um das Nieren-Yin zu nähren (zi bǔ shèn yīn) und den Meridian zu befeuchten (rú rùn mài dào). Bei Mangel an qì und Blut tonisiert man KG 12 (zhōng wǎn) und moxibustiert LG 24 (shén tíng), um qì und Blut aufzufüllen (bǔ yǎng qì xuè), den Fluß des Blut-qì zu verbessern (gǎi shàn xué qì yùn xíng) und damit den Schmerz zu lindern.

Kopfschmerzen aufgrund von Stase des Blutes

Diese Form von Kopfschmerzen entsteht nach langer Krankheit, die die Verbindungsgefäße verletzt hat, durch stagnierendes qì und durch Blutstase (xuè yū qì zhì). Hier kann man lokale Punkte akupuntieren oder bluten lassen, um die Meridiane und Verbindungsgefäße zu öffnen (jīng luò shū tōng). Bitte beachten Sie unsere folgende Buchempfehlung. In diesem Buch werden Akupunkturpunkt-kombinationen entsprechend der Syndromdiagnostik beschrieben. Der Autor Johannes Bernot ist einer der wenigen Deutschen, die an einer chinesischen Universität den grundständigen Studiengang Traditionelle Chinesische Medizin studiert haben.
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