Mit der Methode des schnellen Einstechens bei Kopfschmerz und Migräne ist die Akupunktur mit einer weniger als 0,5 cùn langen und 28 G dünnen Nadel am Kopf und im Gesicht gemeint. Nach routinemäßiger Hautdesinfektion nimmt der Therapeut die Nadel in die rechte Hand zwischen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Die Punkte werden aufgesucht, und die Nadel präzise eingestochen.

Weil die Kopfhaut sehr dünn ist, stößt die Nadel schnell auf den Knochen auf und erzeugt dort ein charakteristisches Geräusch. Der Patient empfindet dabei ein Gefühl der Wundheit oder der Taubheit. Die Nadel wird dann angehoben und drei- bis fünfmal gedreht, um dieses Gefühl noch zu verstärken. Sie wird 10 bis 20 Minuten liegen gelassen. Die Indikationen für eine derartige Behandlung sind Kopfschmerzen, Migräne, Neuralgien am Kopf und Neurosen.

Fallbeispiel 1: Migräne

Eine 49jährige Funktionärin klagte über rechtsseitige Migräne seit 18 Jahren. Die Erkrankung begann nach einer fieberhaften Erkältung. Sie wurde fieberfrei nach Behandlung mit Penicillin und Injektionen von Streptomycin. Nur die intermittierend auftretenden Kopfschmerzen blieben weiterhin bestehen. Die Schmerzen begannen gewöhnlich in der Gegend der Augenbrauen, breiteten sich entlang der rechten Augenbraue in die Richtung der rechten Temporalregion und oberhalb der rechten Ohrmuschel aus. Die Schmerzen waren von brennendem Charakter und traten anfallsweise auf. Wenn sie sehr stark waren, konnte die Patientin nicht einschlafen. Begleitsymptome waren Schwindel und Erbrechen. Die Situation wurde schlimmer bei körperlicher Erschöpfung und emotionaler Erregung. Während der Periode war die Blutung spärlich und die Kopfschmerzen verstärkten sich.

Die Patientin war schon mit verschiedenen Therapiemethoden erfolglos behandelt worden. Von neurologischer Seite waren ihre Schmerzen als neurovaskulär klassifiziert worden.

Bei der Untersuchung hatte sie eine fahle Gesichtsfarbe und den Gesichtsausdruck eines chronisch kranken Menschen, einen weißen dicken Zungenbelag und einen gespannten und versunkenen Puls (chén xián). Der Blutdruck war 140/80 mmHg. Die Diagnose war: Migräne.

Die Behandlung musste die Verbindungsgefäße öffnen und den Wind austreiben (huó luò chú fěng), um den Schmerz zu stillen. Gbl 15 (tóu lín qì) rechts, Ma 8 (tóu wéi), Gbl 16 (mù chuāng), Gbl 17 (zhèng yíng), Gbl 8 (shuài gǔ), Gbl 5 (xuán lú) und Lu 7 (liè quě) wurden schnell akupunktiert. Nach sechs Sitzungen war sie beschwerdefrei und hatte nach einem Jahr keinen Rückfall gehabt.

Fallbeispiel 2: Kopfschmerz

Ein 42jähriger Funktionär klagte über Schmerzen in der Stirngegend und in der Scheitelregion, die nach schwerer Erschöpfung vor zwei Jahren begonnen hatten. In den letzten drei Monaten waren sie schlimmer geworden. Die neurologische Untersuchung war unauffällig. Auch Erkrankungen der Sinnesorgane wurden ausgeschlossen. Die Kopfschmerzen wurden als neurogen klassifiziert. Aber keine Medikation brachte einen Erfolg.

LG 20 (bǎi huì), sì shén cōng, LG 22 (xìn huì), LG 23 (shàng xīng), LG 24 (shén tíng), Ma 8 (tóu wéi) bilateral und Gbl 15 (tóu lín qì) bilateral wurden schnell akupunktiert und nach vier Sitzungen waren die Schmerzen verschwunden. Er hatte keinen Rückfall.

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