Die Prinzipien von Wurzel und Zweig sowie des Schmerzorts betreffen die Auswahl von Akupunkturpunkten an den Extremitäten bzw. an Kopf und Rumpf. Wurzel und Zweig beziehen sich auf Punkte an den vier Extremitäten, während der Schmerzort Punkte des Kopfs und Rumpfes betrifft. Zwischen beiden Prinzipien gibt es Wechselwirkungen.

In einem Kapitel des Nèi Jīng Sù Wèn wird festgehalten: „Wenn die Erkrankung sich im oberen Teil des Körpers befindet, muss man den unteren Teil behandeln und umgekehrt. Wenn die Erkrankung in der Mitte stattfindet, muss man die Seiten des Körpers behandeln.“

Die Ärzte späterer Generationen interpretierten dies so: „Wenn die Erkrankung in der Taille abläuft, werden die Kniekehlen behandelt; wenn die Erkrankung sich im Kopf abspielt, werden die Füße behandelt.“

Wenn man diese Prinzipien auf die klinische Praxis überträgt, kann man schnelle Erfolge besonders bei der Behandlung der Migräne erreichen.

Punktauswahl

  • 3E 23 (sī zhú kōng),
  • Gbl 8 (shuài gǔ),
  • 3E 19 (lú xí),
  • 3E 3 (zhōng zhǔ),
  • Gbl 41 (zú Iín qì) und
  • Gbl 44 (zú qiào yīn).

Die Punkte 3E 23 (sī zhú kōng), Gbl 8 (shuài gǔ) und 3E 19 (lú xí) werden schräg etwa 2 bis 3 fěn tief akupunktiert; 3E 3 (zhōng zhǔ) und Gbl 41 (zú Iín qì) werden senkrecht 3 bis 5 fěn tief genadelt; Gbl 44 (zú qiào yīn) wird senkrecht 1 fěn tief gestochen. Bei den letzten drei Punkten wird auf der Gegenseite der Erkrankung akupunktiert. Die Nadeln werden 15 bis 20 Minuten liegengelassen. Zehn Sitzungen bilden einen Therapiezyklus.

Fallbeispiel: Migräne

Eine 45jährige Frau klagte über linksseitige Kopfschmerzen, Schwindel, Völlegefühle in der Brust und Hitzegefühl in den Handflächen und Fußsohlen. Sie war nicht in der Lage, sich hinzulegen. In den letzten Tagen, bevor sie sich bei uns vorstellte, waren die Schmerzen schlimmer geworden, sie hatte auch starke Blähungen und Windabgänge. Ergotoxin und Analgetika hatten ihr nicht geholfen.

Ihre Zunge war dunkel mit Petechien und einem dünnen gelben Belag, der Puls war gespannt und schmal (xián xì). Der Blutdruck war 190/100 mmHg. In der Röntgendurchleuchtung sah man das Herz in Querlage, und im EKG waren Veränderungen der st-Strecken und der t-Wellen zu erkennen.

Die Diagnose lautete: Stagnation der Leberenergie (gān yù qì zhì), Blockierung der Verbindungsgefäße durch Blutstase (yū xuè zǔ luò).

Die Behandlung musste darin bestehen, das qì zu regulieren, das Blut zu beleben (Iǐ qì huó xuè) und die Meridiane und Verbindungsgefäße zu öffnen (shū tōng jīng luò). Es wurden folgende Punkte gestochen: 3E 19 (lú xí), Gbl 8 (shuài gǔ) links; Gbl 41 (zú Iín qì), Gbl 44 (zú qiào yīn) und 3E 3 (zhōng zhǔ), Le 3 (tài chōng) alle vier Punkte rechts; kombiniert mit 3E 23 (sī zhú kōng), Le 3 (tài chōng), Pk 6 (nèi guān) und MP 4 (gōng sūn).

Sie hatte schon bei der zweiten Behandlung weniger Beschwerden. Bei der dritten Behandlung waren die Kopfschmerzen wesentlich gemildert. Bei der vierten Sitzung waren alle Beschwerden gebessert. Nach zehn Sitzungen fühlte sie sich wohl, und auch nach einem Jahr hatte sie keinen weiteren Anfall gehabt.

empfehlung

Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin

Die Zeitschrift Qi wendet sich an alle Ärzte und Therapeuten, die im Bereich der Chinesischen Medizin tätig sind. Im Fokus stehen Schwerpunktthemen zu aktuellen klinischen Fragestellungen mit hoher Praxisrelevanz. Sie werden von einem internationalen Autorenteam beleuchtet. Über Arzneitherapie, Akupunktur, manuelle und übende Verfahren bis hin zur Diätetik werden alle Aspekte der Chinesischen Medizin integriert. Weiterbildung und ein Überblick zum Stand der aktuellen klinischen Forschung sind weitere feste Bestandteile der Zeitschrift.