Wir unterscheiden drei verschiedene Typen von Rückenschmerzen (Lumbago):
- Lumbago von Typ Nässe-Kälte,
- Lumbago nach akuten Verletzungen und
- Lumbago aufgrund chronischer Verspannungen der Muskulatur
Lumbago vom Typ Nässe-Kälte (shī hán)
Die Punkte Bl 23 (shèn shū) und Bl 40 (wěi zhōng) werden genadelt und neutral manipuliert. An den Punkten LG 14 (dà zhuī) und LG 4 (mìng mén) wird über Ingwerscheiben mit 5 bis 7 Moxakegeln moxibustiert. Wenn die Nadeln gezogen sind, beklopft man die empfindlichen Stellen mit der Pflaumenblütennadel oder schröpft dort.
Methodik
Der Patient liegt auf dem Bauch. Eine 3 cun lange dünne Nadel wird am Punkt Bl 23 (shèn shū) eingeführt und in Richtung Bl 24 (qì hǎi shū) und Bl 25 (dà cháng shū) vorgeschoben. Das Nadelgefühl soll sich zum Sakrum ausbreiten. Die Nadel wird 1 bis 2 Minuten gedreht und 20 Minuten liegengelassen. In dieser Zeit wird sie ein- bis zweimal manipuliert, um das Nadelgefühl zu verstärken. Je stärker das Nadelgefühl, desto besser ist das Behandlungsergebnis. Die Moxibustion über Ingwerscheiben wird während der Akupunktur durchgeführt. Schröpfen oder Beklopfen mit der Pflaumenblütennadel kann man nach Entfernen der Nadeln durchführen, um die Leitbahnen zu wärmen (wěn tōng jīng luò) und das qì zu bewegen (xíng qì).
Lumbago nach akuten Verletzungen (wái shāng)
Bei akuten Verletzungen findet man gewöhnlich nur lokale Schmerzen, kein besonderes Druckgefühl oder makroskopische Veränderungen. Auch ziehen die Schmerzen nicht in die untere Extremität. Der Puls ist schlüpfrig und beschleunigt (huá shuò), an der Zunge sind Petechien zu sehen. Genadelt werden die Punkte yāo tòng und Bl 40 (wěi zhōng) mit neutraler Manipulation. Der Punkt yāo tòng liegt auf dem Handrücken an einer druckempfindlichen Stelle zwischen dem zweiten und dritten Os metacarpale.
Methodik
Der Patient sitzt oder liegt auf der Seite. Der Handpunkt wird mit einer 1 cùn langen dünnen Nadel 5 fěn tief gestochen. Nach Erreichen des Nadelgefühls sticht man die Nadel schräg zum Unterarm ein und manipuliert durch Heben und Stoßen sowie Drehen und Rotieren. Während sich das Nadelgefühl nach proximal ausbreitet, lässt man den Patienten den Rumpf leicht bewegen und manipuliert gleichzeitig. Wenn keine organische Verletzung vorliegt, wird der Schmerz in der Regel schon deutlich besser. Der Punkt Bl 40 (wěi zhōng) wird anschließend genadelt, um das Ergebnis zu festigen, indem qì und Blut in der tài yáng-Leitbahn des Fußes verteilt wird.
Lumbago aufgrund chronischer Verspannungen der
Muskulatur
Die Lendenwirbel sind versteift und unbeweglich, die Beine sind betroffen, die Schmerzen verschlimmern sich durch Rumpfbewegungen oder in schweren Fällen sogar beim Niesen. Die Lendenwirbelsäule erscheint im Stehen kyphotisch oder mit aufgehobener Lordose. Die paravertebrale Muskulatur ist druckempfindlich, die Beschwerden ziehen in die untere Extremität; dort entsteht ein Taubheitsgefühl durch Obstruktion des Blut-qì in den lokalen Leitbahnen. Auf der Zunge erscheinen Petechien, der Puls ist schlüpfrig und beschleunigt (huá shuò). Genadelt werden die druckempfindlichen Punkte in der Lendenregion, die huá tuó jiā jǐ, Bl 23 (shèn shū), Bl 18 (gān shū), Bl 40 (wěi zhōng), Gbl 30 (huán tiào) und Bl 54 (zhì biān). Die Punkte werden abwechselnd gestochen und neutral manipuliert. Die Nadeln werden lange liegen gelassen.
Methodik
Der Patient liegt auf dem Bauch. Zuerst massiert man die schmerzhaften Stellen, um das Blut-qi zu beleben und den Muskelkrampf zu entspannen. Dann nadelt man gleichmäßig die Haut auf beiden Seiten der Wirbelsäule etwa 1 cùn oberhalb des Hauptschmerzpunktes. Man versucht, das Nadelgefühl nach unten zu leiten. Bl 40 (wěi zhōng) wird genadelt und die Nadel wird 20 Minuten liegengelassen, in dieser Zeit wird zwei- bis dreimal manipuliert. Der Hauptschmerzpunkt
wird mit der Pflaumenblütennadel solange beklopft, bis eine mäßige Blutfülle erreicht ist. Wenn Bl 18 (gān shū) in Richtung Bl 23 (shèn shū) gestochen wird, kann man über dem Hauptschmerzpunkt schröpfen, um die Blutstase zu beleben und den Schmerz zu lindern. Bei einem Bandscheibenvorfall soll man zusätzlich Traktion und Massage anwenden.
Fallbeispiel: Rückenschmerzen
Eine junge Frau litt an lumbalen Rückenschmerzen und war deswegen schon in einem örtlichen Krankenhaus erfolglos behandelt worden. Sie konnte weder stehen noch sich hinsetzen. Schon kleine Bewegungen des Rumpfes oder der Füße verschlimmerten ihre Schmerzen. Ihr war auch schwindlig. Es fand sich keine Fehlbildung, aber die Muskulatur ihrer linken Rumpfseite war verspannt und deutlich druckschmerzhaft. Ihre Pulse waren gespannt und schmal (xián xì), auf der
Zunge zeigten sich Zahneindrücke.
Die Diagnose lautete: Stagnation des Blut-qì durch allzu langes Verbleiben in sitzender Position während der Arbeit. Die Grundlage hierfür lag in einer Mangelsituation von Leber und Nieren. Außerdem war sie plötzlich aufgestanden, so dass es zu einer Stagnation des Blut-qì im Rumpf gekommen war. Also handelte es sich hier um einen Fall von akuter Verrenkung des Rumpfes.
Der Punkt yāo tòng auf dem Handrücken zwischen dem zweiten und dritten Metakarpalknochen wurde genadelt. Nach dem Erreichen des Nadelgefühls wurde die Nadelspitze in Richtung Unterarm gerichtet und gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Die Patientin spürte, wie das
Nadelgefühl sich in Richtung Ellenbogen, Schulter und Rücken ausbreitete. Als sie den Rumpf und die Füße etwas bewegte, spürte sie, dass die Schmerzen etwas gelindert waren. Die Nadel wurde nun mehr als einhundert Mal gedreht, und anschließend konnte sie mit etwas Hilfe aufstehen und ihren Rumpf ohne Schmerzen bewegen. Die Nadel wurde 30 Minuten belassen und weitere drei Male manipuliert. Als sie herausgezogen wurde, war der Schmerz verschwunden, lediglich ein Spannungsgefühl war noch zu spüren. Mit der Moxazigarre wurde nun an den Punkten Bl 18 (gān shū), Bl 20 (pí shū) und Bl 23 (shèn shū) moxibustiert. Am nächsten Tag stellte sie sich nochmals vor. Sie konnte alle Bewegungen ausführen.
empfehlung
Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin
Die Zeitschrift Qi wendet sich an alle Ärzte und Therapeuten, die im Bereich der Chinesischen Medizin tätig sind. Im Fokus stehen Schwerpunktthemen zu aktuellen klinischen Fragestellungen mit hoher Praxisrelevanz. Sie werden von einem internationalen Autorenteam beleuchtet. Über Arzneitherapie, Akupunktur, manuelle und übende Verfahren bis hin zur Diätetik werden alle Aspekte der Chinesischen Medizin integriert. Weiterbildung und ein Überblick zum Stand der aktuellen klinischen Forschung sind weitere feste Bestandteile der Zeitschrift.
Sehr geehrter Herr Prof.Dr. Wühr,
die Artikel von Ihnen sind immer sehr interessant und informativ.
Ich habe schon eine 2 jährige Akupunktur Ausbildung mit den anderen Methoden absolviert als Heilpraktiker und Osteopath.
Bieten Sie auch Fortbildung in TCM in Bad Kötzting für Heilpraktiker an? Vielleicht auch das ich in der TCM Klinik bei den chinesischen Ärzten mitlaufen kann um noch mehr Praxiserfahrung zu bekommen? Denn ich habe zwar auch ein Angebot an die Uni in Peking zu gehen für 2x 4 Wochen, aber ich habe das Gefühl das ich lieber in Bayern meine Fertigkeiten verbessern will, als wie in Peking, gerade mit der derzeitigen Regierung in China.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.
Ich freue mich von Ihnen zu hören!
Hp Marco Bruhn
Lieber Herr Bruhn,
danke für Ihr Interesse. Ich freue mich, dass Ihnen unsere Artikel gefallen.
Bitte wenden Sie sich wegen Ihrer Hospitation direkt an die TCM-Klinik: kontakt@tcm.info
Viel Erfolg und beste Grüße
Erich Wühr