Bei Schluckauf bzw. Zwerchfellverkrampfung unterscheiden wir Hitze- und Kälte- sowie Fülle- und Mangeltyp: Der Hitze-Typ wird akupunktiert, der Kälte-Typ wird zusätzlich moxibustiert. Beim Fülle-Typ verwenden wir sedierende und ausleitende Manipulationsmethoden, beim Mangel-Typen wenden wir harmonisierende und stärkende Methoden an. Der Behandlungserfolg hängt nach unserer Erfahrung entscheidend von dieser Differenzierung ab.
Punktauswahl
Wir wählen MP 4 (gōng sūn) als Hauptpunkt und Pk 6 (nèi guān) als zusätzlichen Punkt aus:
- MP 4 (gōng sūn) ist der luò-Verbindungspunkt des Milzmeridians und verbindet diesen mit dem Magenmeridian, außerdem ist er der Öffnungspunkt des chōng mài Meridians;
- Pk 6 (nèi guān) ist der luò-Verbindungspunkt des Perikardmeridians und verbindet diesen mit dem Drei-Erwärmermeridian, außerdem ist er der Öffnungspunkt des yīn wei Meridians.
Beide Punkte harmoniseren die Wechselwirkung zwischen dem oberen und dem unteren Teil des Körpers. Außer zur Behandlung des Schluckaufs kann man diese Kombination auch zur Behandlung von Erkrankungen des Herzens, des Brustkorbs, des Magens, des Darmes und der Verdauungsorgane allgemein benutzen.
Manipulation
An diesen Punkten wird eine dünne 0,5 bis 1,5 cùn lange Nadel tief eingeführt alle 5-10 Minuten zur Verstärkung des Nadelgefühls und durch Heben und Senken bzw. Drehen und Rotieren sedierend bzw. tonisierend manipuliert. Bei Schluckauf von Kälte-Mangel-Typ werden diese Punkte zusätzlich moxibustiert.
Modifikationen
Entsrechend der Begleitsympome können die Punkte ergänzt werden:
- Wenn der Patient ein Völlegefühl in der Brust hat, kann man KG 17 (dàn zhōng) ergänzend akupunktieren,
- bei Blähungen im Oberbauch nadelt man KG 12 (zhōng wǎn),
- bei Mangel an qì KG 6 (qì hǎi).
- Bei Fülle-Typen nadelt man KG 22 (tiān tú), Ma 36 (zú sān Iǐ) und Le 3 (tài chōng).
Wenn man am Punkt KG 17 (dàn zhōng) akupunktiert, soll man die Nadel am Sternum entlang ungefähr 1 cùn tief nach unten führen. Am Punkt KG 22 (tiān tú) punktiert man senkrecht etwa 2 bis 3 fěn tief, presst dann die Nadel auf den Adamsapfel und führt sie nach unten etwa 0,8 bis 1,5 cùn tief in Richtung des inneren Sternumrands. Dies führt man täglich oder jeden zweiten Tag durch.
Fallbeispiel: Zwerchfellverkrampfung
Ein 71jähriger Bauer klagte seit sieben Monaten über Schluckauf, mit Schmerzen im Oberbauch und Flatulenz. In der Röntgenuntersuchung mit Kontrastmitteln fand man eine Hiatushernie.
Die Befragung ergab, dass der Schluckauf nach den Mahlzeiten schlimmer wurde. Das obere Epigastrium war druckempfindlich, der Stuhlgang war weich, gelegentlich hatte er unwillkürlichen Urinabgang, die Zunge hatte einen weißen fettigen Belag, der Puls war gespannt (xián).
Die Diagnose war: Älterer Patient mit schwacher Konstitution, Mangel an Milzenergie (pí qì jiǔ xū), Disharmonie der Magenfunktion (wèi shī hé jiàng), umgekehrt fließendes aufsteigendes qì (qì jī nèi nì), das den Schluckauf verursacht.
Die Behandlung erfolgte nach dem Prinzip, die Funktion von Milz und Magen zu harmonisieren (hé pí wèi) und den ungehinderten Fluss des qì zu regulieren (tiáo shěng jiàng chàng Iì shū jī).
MP 4 (gōng sūn) und Pk 6 (nèi guān) wurden tonisierend akupunktiert. Sofort stoppte der Schluckauf. Als zusätzliche Punkte wurden KG 17 (dàn zhōng), KG 12 (zhōng wǎn), Ma 25 (tiān shū) und Ma 36 (zú sān Iǐ) genadelt. KG 17 (dàn zhōng) wurde nach unten unter der Haut genadelt, die anderen drei Punkte wurden senkrecht 1,5 cun tief genadelt und gleichmäßig tonisierend und sedierend manipuliert.
Nachdem der Patient zu Hause eine Mahlzeit eingenommen hatte, kam der Schluckauf in einer milderen Form zurück. Die Akupunktur wurde an jedem zweiten Tag für drei Sitzungen fortgesetzt. In dieser Zeit hatte der Patient nur gelegentlich Schluckauf. Dann wurden die Punkte Le 3 (tài chōng) und KG 6 (qì hǎi) zusätzlich genadelt. Le 3 (tài chōng) ist der Quellpunkt des Lebermeridians und soll das umgekehrt aufsteigende qì der Leber unterdrücken, KG 6 (qì hǎi) soll das qì des Unteren Erwärmers stärken. Nach zwei Wochen war der Schluckauf ganz verschwunden. Stuhlgang und Miktion waren normal. Bei der Nachuntersuchung hatte der Patient seit drei Monaten keinen Rückfall gehabt.
Die Akupunktur und Moxibustion entsprechend der Unterscheidung von Syndromen ergibt in der Regel bessere Ergebnisse als die rein symptomatische Akupunktur. Der Schluckauf ist dafür ein sehr gutes Beispiel. In dem Standardwerk der Punktauswahl und Punktkombination entsprechend der chinesischen Syndromdiagnostik von Johannes Bernot sind viele weitere Indikationen aus dieser Sicht beschrieben. Bitte beachten Sie deshalb die folgende Buchempfehlung …

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Bernot, Johannes
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In der westlichen Akupunktur erfolgt die Auswahl von Akupunkturpunkten üblicherweise symptomatisch. Das Wissen um die Punktkombinationen zur Behandlung von Syndromen ist im Westen bislang noch wenig erschlossen. Klassische Punktkombinationen werden in diesem Buch erstmals systematisch nach Syndromen erfasst und in strukturierter Weise für die tägliche Praxis erschlossen.