1. Befall des Dickdarmmeridians (Hand yáng míng)
Hier liegt der Schmerz oder die Druckempfindlichkeit im oberen Bereich der Schulter oder an der lateralen Seite und zieht nach vorne oder in den lateralen Anteil des Oberarmes. Die Funktionsstörung wird stärker beim Abduzieren des Armes. Hierzu gehören die Tendomyositis des Musculus supraspinatus, die subakromiale Synovitis und die Periomarthritis. Der Hauptpunkt ist Ma 38 (tiáo kǒu). Zusätzliche Punkte sind Di 11 (qū chí), Di 16 (jù gǔ), Di 15 (jiān yú) und Di 14 (bì nào). Man nimmt eine 32 G dünne 1,5 cùn lange Nadel und sticht Ma 38 (tiáo kǒu) 0,8 bis 1,2 cùn tief mit drehender und rotierender Manipulation mit tonisierender Wirkung, bis sich eine Empfindung von Wundsein und Spannung im ganzen Bein ausbreitet. In dieser Zeit lässt man den Patienten die Schulter bewegen. Wenn gleichzeitig Symptome im Bereich des Dünndarmmeridians auftreten, sticht man mit einer 30 G dünnen und 3 cùn langen Nadel von Ma 38 (tiáo kǒu) durch bis Bl 57 (chéng shān). So können Erkrankungen im Bereich von zwei Meridianen mit einer einzigen Nadel behandelt werden. An den zusätzlichen Punkten akupunktiert man mit 32 G dünnen Nadeln und gleichmäßig tonisierender und gleichmäßig sedierender Manipulation.2. Befall des Dreifachen Erwärmers (Hand shào yáng)
Hier finden sich Schmerzen und Druckempfindlichkeit an der Lateralseite der Schulter und die Funktionsstörung wird deutlich beim Supinieren und Vorwärtsheben des Armes. Der Hauptpunkt ist Gbl 34 (yáng líng quán). Zusätzliche Punkte sind 3E 5 (wài guān), 3E 14 (jiān liáo), xìa nào huì (xìa nào huì wird von 3E 13 (nào huì) 1,5 cùn nach unten und direkt unterhalb von Di 14 (bì nào) gestochen). Gbl 34 (yáng líng quán) wird mit einer 2 cùn langen 32 G dünnen Nadel schräg und etwas zur Vorderseite der Tibia hin 1,5 cùn tief gestochen und mit hebenden und stoßenden Bewegungen, später mit Drehen und Rotieren manipuliert, so dass das Nadelgefühl auf der Seite des Beines zum Fuß absteigt. Wenn auch der Lungenmeridian betroffen ist, kann man mit einer 3 cùn langen Nadel bis zum Punkt MP 9 (yīn Iíng quán) durchstechen. Wenn sich jedoch die Schmerzen in den Nacken hinein ausbreiten, soll man anstatt Gbl 34 (yáng líng quán) lieber Gbl 39 (jué gǔ) stechen. Die Zusatzpunkte werden mit 32 G dünnen 1,5 cùn langen Nadeln gestochen und gleichmäßig tonisierend und sedierend manipuliert. Xìa nào huì wird zuerst mit hebenden und stoßenden Bewegungen, dann mit Drehen und Rotieren manipuliert, bis sich das Nadelgefühl entlang dem Handrücken und der dorsalen Seite der Finger ausbreitet.3. Befall des Dünndarmmeridians (Hand tài yáng)
Hier sind die Schmerzen im hinteren Anteil der Schulter und strahlen in die Skapula oder am hinteren seitlichen Rand des Armes entlang aus. Die Schmerzen werden stärker bei Pronation oder Heben des Armes. Diese Symptomatik schließt Periomarthritis und Tendomyositiden der Musculi supraspinatus und infraspinatus ein. Der Hauptpunkt ist Bl 57 (chéng shān). Zusätzliche Punkte sind Ma 26 (jiān wài líng), Dü 11 (tiān zōng), Dü 12 (bǐng fěng) und Dü 3 (hòu xī). Am Punkt Bl 57 (chéng shān) sticht man mit einer 2 cùn langen 32 G dünnen Nadel senkrecht 1,5 cùn tief ein, manipuliert dann zunächst mit hebenden und stoßenden, anschließend mit drehenden und rotierenden Bewegungen, so dass sich das Nadelgefühl in die Mitte der Fußsohle oder am lateralen Fußrand ausbreitet. Wenn auch Symptome im Dickdarmmeridian auftreten, sticht man von Bl 57 (chéng shān) durch bis Ma 38 (tiáo kǒu).4. Befall des Lungenmeridians (Hand tài yīn)
Hier sind die Schmerzen im vorderen Anteil der Schulter und am Vorderrand der Medialseite des Armes lokalisiert. Manchmal kann man auch druckempfindliche Verdickungen im Meridianverlauf tasten. Die Schmerzen verschlimmern sich, wenn der Arm nach hinten geführt wird, und hier ist auch die Beweglichkeit eingeschränkt. Diese Form findet man auch bei Periomarthritis oder bei Tendomyositis der langen Bizepssehne. Der Hauptpunkt ist MP 9 (yīn Iíng quán). Zusätzliche Punkte sind der Extrapunkt jiān nèi líng, Lu 3 (tiān fǔ) und Lu 5 (chǐ zé). Eine 30 G dünne und 2 cùn lange Nadel wird am Punkt MP 9 (yīn Iíng quán) senkrecht eingestochen und gedreht und rotiert, bis sich das Nadelgefühl in die Fußsohle oder an der Medialseite des Fußes entlang ausbreitet. Wenn auch Symptome von Seiten des Dünndarmmeridians auftreten, nimmt man eine 3 cùn lange Nadel und sticht durch bis zum Punkt Gbl 34 (yáng líng quán). An den Zusatzpunkten wird mit 32 G dünnen Nadeln akupunktiert. Hier wird neutral manipuliert.5. Befall des Perikardmeridians (Hand jué yīn)
Schmerzen und Spannungsgefühl finden sich im vorderen Anteil der Schulter. Sie werden verstärkt, wenn der Arm nach lateral und vorne angehoben wird. Funktionelle Störungen finden sich im Bizeps und Druckempfindlichkeiten am Korakoid. Die entsprechenden Diagnosen der westlichen Medizin sind Tendomyositis der kurzen Bizepssehne und Periomarthritis. Der Hauptpunkt ist Le 8 (qū quán). Als zusätzliche Punkte werden Pk 3 (qū zé) und schmerzhafte Punkte (àshì) gestochen. Am Punkt Le 8 (qū quán) wird eine 30 G dünne und 2 cùn lange Nadel senkrecht eingestochen bis in eine Tiefe von 1,5 cùn und mit drehenden und rotierenden, hebenden und stoßenden Bewegungen manipuliert. Wenn auch Symptome auf dem Dünndarmmeridian auftreten, kann man eine 3 cùn lange Nadel bis zum Punkt Gbl 33 (yáng guān) durchstechen und mit der gleichen Methode manipulieren. An den Zusatzpunkten benötigt man 32 G dünne 1,5 cùn lange Nadeln und manipuliert gleichmäßig tonisierend und sedierend.6. Befall des Herzmeridians (Hand shào yīn)
Hier finden sich Schmerzen in der Achselhöhle und geschwollene Lymphknoten am hinteren Rand des Bizeps brachialis, der auch funktionelle Störungen aufweist. Der Hauptpunkt ist N 9 (zhú bīn). Zusätzliche Punkte sind xià jí quán, ein Extrapunkt 1,5 cùn unterhalb von H 1 (qí quán), und H 3 (shào hǎi). Am Punkt N 9 (zhú bīn) sticht man eine 32 G dünne 2 cùn lange Nadel senkrecht zur Haut ein und manipuliert zuerst mit hebenden und senkenden, dann mit drehenden und rotierenden Bewegungen, bis das Nadelgefühl sich in die Fußsohle hinein ausbreitet. An den zwei zusätzlichen Punkten sticht man mit einer 32 G Nadel senkrecht oder leicht schräg ein in Richtung radiale Seite des Armes und etwa 1,2 cùn tief. Man manipuliert erst mit hebenden und stoßenden und dann mit drehenden und rotierenden Bewegungen, bis sich das Nadelgefühl in den Unterarm und in die Finger hinein ausbreitet. Je nach der Variation der klinischen Erscheinungen können zwei oder mehr Meridiane gleichzeitig betroffen sein. Die Erkrankungen unterscheiden sich auch danach, inwieweit Kälte, Hitze, Überschuss oder Mangel die bestimmenden Faktoren sind. Jede einzelne Situation muss genau untersucht und analysiert werden. Erst so bekommt man befriedigende Therapieergebnisse.- Wenn bei einem Patienten Wind der vorherrschende pathogene Faktor ist, muss das Behandlungsprinzip auch das Ausleiten von Wind und die Aktivierung der Verbindungsgefäße beinhalten (sàn fěng huó luò). Hier muss man zusätzlich Gbl 20 (fěng chí) und 3E 5 (wài guān) akupunktieren. Außerdem kann man mehrmals schnell schröpfen, bis die Haut sich rötet.
- Wenn Kälte der vorherrschende pathogene Faktor ist, muss man die Meridiane wärmen und die Kälte austreiben (wěn jīng sàn hán). Dazu nadelt man Le 3 (tài chōng) und Di 4 (hè gǔ), wobei man die Nadeln tief einsticht und moxibustiert.
- Bei Nässe als vorherrschendem pathogenem Faktor muss man die Milz stärken und die Nässe zerstreuen. Dazu nadelt man Ma 36 (zú sān Iǐ) und MP 9 (yīn Iíng quán).
- Wenn sich bei langanhaltendem Verlauf die Erkrankung in Hitze verwandelt, muss man die Hitze klären und das Feuer sedieren (qīng rè xiè huǒ). Dazu nadelt man LG 14 (dà zhuī), Di 4 (hè gǔ) und Di 11 (qū chí).
- Bei Patienten mit langanhaltender Stagnation, die sich in Hitze verwandelt hat, muss man die Milz stärken und die Niere tonisieren (jiàn pí yì shèn). Dazu nadelt man zusätzlich MP 6 (sān yīn jiāo) und N 3 (tài xī).
BUCHEMPFEHLUNGEN
Montakab, Hamid
Chinesische Medizin heute
Ein westliches Lehrbuch der östlichen Heilkunst
Hamid Montakab ist einer der renommiertesten TCM-Therapeuten im deutsch- und französischsprachigen Raum. Er praktiziert und lehrt in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland. Er war Mitbegründer und langjähriger Präsident der Schweizerischen Berufsorganisation für TCM (SBO-TCM) und gründete 1986 die Chiway Akademie für Akupunktur und asiatische Medizin in Winterthur. Er ist in der östlichen Medizin ebenso zu Hause wie in der westlichen und versteht es wie kein anderer, dieses Wissen mit seiner Praxiserfahrung aus Europa, Indien, China und den USA zu kombinieren.