Zur Behandlung von Schwindel bei Patienten mit Bluthochdruck sollte man nach folgenden Prinzipien vorgehen:
- Das yīn nähren, um das umgekehrt aufsteigende yáng zu beruhigen (zī yīn qián yáng) sowie
- den Schleim umwandeln, damit die nach oben aufsteigenden Substanzen nach unten geleitet werden (huà tán jiàng chōng) und das qì und Blut harmonisiert werden (hé qì xuè).
Die Hauptpunkte sind: MP 4 (gōng sūn) in Richtung Le 3 (tài chōng) und weiter in Richtung N 1 (yǒng quǎn) gestochen, sì shén cōng, Lu 9 (tài yuān) und mit tonisierender Akupunktur N 7 (fù liū). Am Punkt Le 2 (xǐng jiān) wird sedierend manipuliert.
MP 4 (gōng sūn) ist der luo-Verbindungspunkt der Milz-Leitbahn und steht mit der chōng-Nebenleitbahn in Verbindung. Er regt die Milz an (xǐng pí), aufsteigende Flüssigkeiten nach unten zu leiten (jiàng chōng) und Schleim und Nässe zu zerstreuen (qū shī huà tán).
Le 3 (tài chōng), der yuan-Quellpunkt der Leber-Leitbahn, kann qì und Blut regulieren (tiáo xuè qì), und die Leber beruhigen (píng gān).
N 1 (yǒng quǎn) ist der jing-Brunnenpunkt der Nieren-Leitbahn. Er kreuzt sich mit der Leber-Leitbahn und kann sehr gut zur Behandlung von Erkrankungen im Kopf benutzt werden.
Wenn man mit einer Nadel diese drei Punkte akupunktiert, kann man die Niere nähren, die Leber beruhigen (zī shèn píng gān) und aufsteigende trübe Substanzen nach unten leiten (jiàng chōng). Das Gehirn wird angeregt, und Schleim ausgeleitet (xǐng nǎo huà tán).
Wenn man den Punkt MP 4 (gōng sūn) in Richtung Le 3 (tài chōng) akupunktiert, soll man nach dem Erreichen des Nadelgefühls die Nadel entgegen der Leitbahnrichtung heben und senken, soweit der Patient dies toleriert. Dann sticht man die Nadel tiefer ein in Richtung N 1 (yǒng quǎn). Wenn das Nadelgefühl erreicht ist, manipuliert man tonisierend entgegen des Leibahnverlaufs, bis der Patient sich erleichtert fühlt. Das richtige Verhältnis von tonisierender und sedierender Manipulation kann hier die besten Ergebnisse erzielen.
Sì shén cōng, die vier besonderen Punkte rund um LG 20 (bǎi huì), sind besonders zur Behandlung von Erkrankungen des Kopfes geeignet. Hier ist besonders von Bedeutung, in welche Richtung man die Nadeln einsticht. Es gibt fünf verschiedene Methoden:
- Vertikales Einstechen der Akupunkturnadeln
- Bei Schwindel im Oberkopf und Drehschwindel akupunktiert man mit längeren Nadeln von shàng shén cōng (vorne) in Richtung xià shén cōng (hinten) und von zuǒ shén cōng (links) in Richtung yòu shén cōng (rechts) oder umgekehrt.
- Die Nadeln werden so eingeführt und kontinuierlich liegengelassen, dass sie eine Raute bilden.
- Bei Schwindel mit Migräne oder pulsierenden Schmerzen akupunktiert man die Punkte und stößt die Nadeln dann bis auf die gegenüberliegenden Punkte vor.
Wenn die Leber (das Holzelement) ihre Fähigkeit verliert, die Energie zu verteilen, stagniert diese und verwandelt sich in Feuer. Dann kann sie die Lunge (das Metallelement) unterdrücken. Das qi der Leber zirkuliert in Zyklen. Daher kann sich die Erkrankung auf die Lunge ausbreiten. Lu 9 (tài yuān), der yuan-Quellpunkt der Lungen-Leitbahn kann die Leitbahn und seine Energie klären, die Stagnation in der Leber zerstreuen und so dafür sorgen, dass die Energie im chōng-Meridian nicht nach oben steigt und den Kopf und die Augen bedroht.
Man kann auch den Punkt N 7 (fù liū) tonisieren und Le 2 (xíng jiān) sedieren als eine Modifikation der Mutter-Sohn-Regel: Wenn der Sohn schwach ist, stärke die Mutter.
N 7 (fù liū) ist der Metallpunkt der Nieren-Leitbahn. Das Metallelement kann Wasser erzeugen (jīn néng shěng shuǐ) und daher ist N 7 (fù liū) der Mutterpunkt dieser Leitbahn. Tonisierung von N 7 (fù liū) nährt das Wasser des Nieren-yīn (zī yù shèn yīn zhi shuǐ) und tonisiert die Leber (das Element Holz) (hán yǎng gān mù).
Le 2 (xíng jiān) hingegen ist der Feuerpunkt der Leber-Leitbahn und damit der Sohn-Punkt dieser Leitbahn, denn das Holz gebärt das Feuer (mù shěng huǒ). Sediert man Le 2 (xíng jiān), dann kann man damit stagnierendes Feuer in der Leber unterdrücken (néng xiè gān mù zhi yù huǒ). Außerdem beruhigt man den umgekehrten Fluss von qì und Blut (píng qì xuè zhi chōng nì).
Man kann N 7 (fù liū) auch moxibustieren mit langsam brennendem Moxa; Le 2 (xíng jiān) kann man auch sedieren, indem man schnell moxibustiert und auf das angezündete Moxa bläst, so dass es schnell verbrennt. Damit kann man das stagnierende Feuer der Leber nach außen treiben.
Dü 3 (hòu xī) kann man zusammen mit Gbl 20 (fěng chí) akupunktieren. Dü 3 (hòu xī) steht in Verbindung mit dem Lenkergefäß und kann bei steifem Hals gut akupunktiert werden.
Fallbeispiel: Schwindel
Ein 76jähriger Rentner litt an hohem Blutdruck mit Werten von bis zu 210/100 mmHg und hatte dabei Schwindel. Er musste auch viel husten mit reichlich Auswurf. Er konnte nicht flach im Bett liegen und knurrte immer vor sich hin. Sein Puls war gespannt, schmal und beschleunigt (xián xì shuò). Seine Zunge war blass mit dickem fettigem Belag. Sein Temperament war cholerisch. Die Diagnose lautete: Schwindel und Husten. Zur Behandlung wurde die Leberenergie verteilt, die Nieren wurden genährt (shū gān yì shèn), Schleim umgewandelt und der Husten besänftigt (huà tán níng sòu).
Folgende Punkte wurden gewählt: MP 4 (gōng sūn) wurde in Richtung Le 3 (tài chōng) und weiter bis N 1 (yǒng quǎn) akupunktiert, sì shén cōng wurde in alle vier Richtungen gestochen, Ma 40 (fěng lóng) und Lu 9 (tài yuān) wurden ebenfalls akupunktiert. Nach dem Erreichen des Nadelgefühls wurde nicht manipuliert, da es sich um einen älteren und schwachen Patienten handelte.
Nach drei Behandlungen hatte sich sein Befinden gebessert, der Schwindel war zurückgegangen und der Blutdruck etwas niedriger. Er war jedoch noch immer kurzatmig und hustete. Außerdem war er seit drei Tagen verstopft. Nun wurde wie zuvor behandelt und zusätzlich beidseitig Ma 25 (tiān shū) akupunktiert. Am nächsten Tag hatte er Stuhlgang, und der Husten war gelindert. Der Zungenbelag änderte sich, er war jetzt dünn und weiß, der Puls etwas weicher, aber immer noch gespannt und schmal. Der Blutdruck war 160/100 mmHg.
Nach weiteren zwei Wochen, in denen er behandelt wurde, besserte sich der Blutdruck, und der Schwindel verschwunden. Der Husten war zwar gelindert, aber noch nicht ganz weg.
von MacPherson, Hugh; Kaptchuk, Ted J.
Akupunktur in der Praxis
Fallbesprechungen westlicher Experten
Wer Dan Bensky, Stephen Birch, Bob Flaws oder Jane Lyttleton beim Akupunktieren “über die Schulter” sehen und sein Wissen erweitern will, der greift zu dieser Sammlung westlicher Meister der Akupunktur.